Michael Shermer und das Thema trans
Wie positionieren sich US-amerikanische Skeptiker zum Thema trans? Im Jahr 2022 ist ein eigenes Schwerpunktheft des „Skeptic Magazine“ zu dieser Thematik erschienen, wo vier lange Artikel dieses Thema abhandeln. Sucht man den Tag „transgender“ auf der Webseite des Skeptic Magazine: https://www.skeptic.com/tag/transgender/, so taucht in der Autorenzeile bei fast jedem zweiten Artikel oder Video ein Name auf: Michael Shermer. Der Gründer und Chefredakteur vom Skeptic Magazine, Wissenschaftshistoriker, Universitätslehrender, Journalist, Buchautor und Träger zahlreicher Auszeichnungen ist ein Schwergewicht in der internationalen Skeptiker-Szene. Ja, man könnte ihn anhand seines persönlichen Werdegangs vom evangelikalen Christen zum Skeptiker, Humanisten, Agnostiker und Atheist, wie er sich selbst bezeichnet, einen „Vorzeige-Skeptiker“ nennen. Seine Meinung hat Gewicht – und natürlich auch seine Positionierung zum Umgang mit trans in der (skeptischen) Wissenschaft. Dass er weltweiten Einfluss hat und sich natürlich auch zu den Belangen europäischer Skeptikervereine äußert, zeigt sein Tweet zur GWUP-Vorstandswahl aus dem Mai 2023:
Sein Appell über den großen Teich nach Deutschland: „Lasst Politik aus dem Skeptizismus draußen und konzentriert euch auf Fakten, Beweise, kritisches Denken und die Förderung von Wissenschaft.“ Das wirft natürlich die Frage auf: Wie stark lässt Shermer selbst Politik außen vor, wenn er einen Artikel nach dem anderen über trans verfasst? Lässt es sich wirklich „unpolitisch“ (vulgo: skeptisch) über dieses Thema schreiben, wenn in den USA (aber nicht nur dort!) die Diskussionen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem politisch derart polarisierten Feld stattfinden bzw. von Teilen der Politik instrumentalisiert werden? Hierbei ist nicht reine Parteipolitik gemeint, sondern vor allem auch gesellschaftspolitische Strömungen wie die des radikalen Feminismus.
Um sich dieser Fragestellungen anzunähern, sollen im Laufe der Zeit Tweets von Michael Shermer wiedergegeben und unter einigen der folgenden Gesichtspunkten analysiert werden:
- Trans und psychische Erkrankung
- Shermer über Abigail Shrier und ihr umstrittenes Buch „Irreversible Damage“
- Trans und die Dissoziative Identitätsstörung
- Frauenrechte versus trans Rechte
- Über Hassverbrechen gegen trans Personen
- Frauenräume und die Instrumentalisierung der Angst vor Übergriffen
Tucker Lieberman fasst es in „Medium“ in wenigen Worten folgendermaßen zusammen, wenn er die Artikel im internationalen Skeptiker Magazin unter dessen Chefredakteur Michael Shermer kritisiert: Trans Personen sind in der Artikel-Serie im Skeptic Magazine nicht diejenigen, die die Debatte führen und „das ist die Positionierung, die es transphob macht“, wie Lieberman schreibt:
„Here’s a 2022 issue of Skeptic Magazine, based in the US and edited by Michael Shermer. The issue is devoted to “the Debate” over trans people. Trans people aren’t the ones conducting the debate in these pages, and that’s the positioning that makes it transphobic.“ (Quelle: Vor allem skeptisch gegenüber Transsexuellen)
Shermer bezieht sich in seinem Artikel „What is a woman anyway?“ auf Matt Walsh, einen US-amerikanischen politischen Kommentator und Autor, der dem politisch konservativen Flügel zuzuordnen ist. Dessen Film „What is a Woman“ bildet den roten Faden für Shermers Artikel und er verweist häufig darauf. Dass Walsh jedoch seit langem bekannt dafür ist, mit extrem transfeindlichen Aussagen um sich zu werfen, wird in Shermers Artikel mit keinem Wort erwähnt.
Schließt sich also Shermer damit vielleicht sogar den transfeindlichen Äußerungen von Walsh an? Über Michael Shermers persönliche Sichtweise soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Allerdings spricht ein Witz, den er als Bonmont in seinem Interview mit Abigal Shrier für „The Michael Shermer Show“ eingebracht hat, für sich:
„Ich erzähle Ihnen eine lustige Geschichte. Ich war etwa zur Hälfte mit Ihrem Buch fertig und ging zum Mittagessen mit einem alten Freund, und ich erzählte ihm von Ihrem Buch, und er sagte: Oh, ich kenne einen Mann mittleren Alters, der zu einer Frau transitioniert hatte, aber er war verheiratet und hatte drei Kinder, und seine Frau sagte: Na gut, solange du die Familie nicht kaputt machst, kannst du machen, was du willst. Du weißt, dass ich immer noch Sex mit dir haben will. Und er sagte: „Okay“ und fing an, die Hormone zu nehmen. Und nach Aussage meines Freundes war seine Frau erleichtert, weil er da unten kleiner geworden war, und das war, er war ein bisschen groß, für sie unangenehm, also war der Sex eigentlich besser. Okay, aber dann sagte er irgendwann: Weißt du, ich identifiziere mich jetzt als Frau und ich würde gerne Sex mit einer Frau haben, einer lesbischen Frau. Und die Frau sagt: Okay, aber du hast immer noch einen Penis. Wenn du also lesbischen Sex mit einer Frau hast, aber deinen Penis in ihre Vagina steckst – ist das dann nicht Heterosex? Was bedeutet es, lesbisch zu sein, wenn man nur Heterosex hat? Und ich erinnere mich, dass ich nur dachte, meine Frau würde das nie machen … Entschuldigung für den Witz…“ |
Eine Frage bleibt offen: Inwieweit ist Michael Shermers persönliche und offizielle Haltung (auf Basis der fürs Skeptic Magazin verfassten bzw. auf der Skeptiker-Webseite verlinkten Artikel und Videos) für die Position von Skeptiker-Organisationen in anderen Ländern maßgeblich? Wie sehen Skeptiker in Deutschland seine Einstellungen – mit Zustimmung oder Distanz? Geht man rein nach der Anzahl der deutschen Twitter-Follower aus skeptischen Kreisen, scheint hierzulande die Zustimmung zu überwiegen.
Wir werden uns, wie bereits erwähnt, in der kommenden Zeit mit einzelnen Themen zu trans, die Shermer selbst aufgegriffen hat, skeptisch und differenziert auseinandersetzen.