Transphobie als rechte Agitation

Transphobie als rechte Agitation

Dass genderkritischer Feminismus mit seiner Moralpanik als Einfallstor und Brücken-Narrativ zu rechtem Gedankengut dient, hat bereits der vorige Beitrag beleuchtet. Es geht hier um eine narrative Allianz und ein gefährliches Relationsgeflecht, das unter der argumentativen Klammer, sich für den Schutz biologisch weiblicher Frauen als „bedrohtes Geschlecht“ einzusetzen, eine Gegenöffentlichkeit kreiert. Far right bedeutet nicht far away, insbesondere dann, wenn durch Feminist_innen, welche sich diese Selbstbezeichnung auf die Fahnen schreiben, klare Grenzen verwischt werden und es plötzlich „en vogue“ scheint, anderen Menschen ihr Grundrecht auf geschlechtliche Selbstbestimmung abzuerkennen.

Über die Allianzen zwischen TERF und rechts schreibt der Blog „Belltower News“ der Amadeo Antonio Stiftung, die bei einer Kundgebung im März 2023 in Melbourne, Australien ein erschreckendes Ausmaß angenommen haben:

Die Polizei muss die TERFs und die Neonazis gar nicht voneinander trennen. Denn diese zwei Gruppierungen gehen nicht aufeinander los, sondern treten gemeinsam auf, im Schulterschluss miteinander verbunden. Als Geschwister im Geiste agitieren sie gegen trans* Menschen. Einige der TERFs posieren sogar wie grinsende Fangirls für Selfies mit den Neonazis, die Hakenkreuz-Tätowierungen und andere White-Power-Symbole stolz zur Schau stellen. Eine Ausnahmeerscheinung? Von wegen. Viele von uns in der Transgender-Community warnen seit Jahren vor dem Liebäugeln zwischen TERFs und Rechtsradikalen. Es sind keine Hirngespinste. Es geht um Hassposts im Internet, es geht um Handgreiflichkeiten auf offener Straße. Ob in Australien, hier in Europa oder in Nord- und Südamerika: transfeindliche Feminist*innen erdulden, ermöglichen und ermutigen die zweckgebundene Zusammenarbeit mit Faschist*innen.“

https://www.belltower.news/kolumne-michaela-dudley-terfs-transfeindlichkeit-und-rechtsradikaler-feminismus-148977/

Diese gefährliche Allianzenbildung führt zur Frage, was die Strategien und Handlungsmuster rechter transphobischer Agitation sind.

Zentrale Muster rechter Transphobie

Transphobie spielt in der rechten Szene eine große Rolle, da sich diese auf die Heteronormativ und „traditionelle Familienideale“ stützt. Aufbrechende Geschlechterverständnisse werden als Gefahr für deren rasstisch-antisemtischer Ideologie der „Volksgemeinschaft“ wahrgenommen und als Infragestellung der „natürlichen Ordnung“ geframt.

Die Kategorie Geschlecht mit Ein- und Ausschlüssen ist zentral für rechtsextremistische Denkweisen. So wird die Moralpanik rund um die geschürte Angst vor angeblichem Indentitätsverlust biologisch weiblicher Frauen gezielt instrumentalisiert, indem Gefühle bedient und Identitfikationsmomente geboten werden. Dazu werden Krisenmomente künstlich erzeugt und Einzelfälle zum Beweis aufgebläht. Rechte Identitätspolitik konstruiert zudem Fremdheitsgefühle durch gezielt erzeugtes Othering von trans Personen, was gerade in Zeiten der Verunsicherung dem gesteigerten Bedürfnis von Menschen nach Orientierung, klarer Identitätsgestaltung und Aufwertung der eigenen Position entgegenkommt.

Simon Strick spricht in seinem Buch „Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus“ hierzu von Anti-Genderismus als „Agitationskern“ und „Gefühlskitt“ der Neuen Rechten (vgl. S. 330; 344):

Geschlecht ist Motor und primärer Aktionsraum der Alternativen Rechten: Gender ist ein endloser, intimer und zugleich öffentlichkeitswirksamer Generator von Krisen, Krisenmomenten und Schnittstellen von Macht, persönlicher Erfahrung und Befindlichkeit. Die Alternative Rechte adaptiert die klassische Losung des Feminismus – das Persönliche ist politisch – und wendet sie gegen die eigentliche Intention, gleiche Relevanz für den (weiblich-codierten) Privatraum und die patriarchalen Öffentlichkeiten zu beanspruchen. Auf dem Boden des Geschlechts lassen sich die alltäglichen Affekte gut kultivieren, die die Alternative Rechte für ihre Agitation und Propaganda züchtet.“

Simon Strick: Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus, S. 87

Anti-Genderismus dient hierbei als Projektionsfläche für die Ablehnung einer inklusiven Gesellschaft (vgl. Uner­war­tete Alli­an­zen: Coro­na­pro­teste und der Kampf gegen Gender) und wird auf Social Media gezielt von rechten Akteuren vorangetrieben: „Gays against Groomers“, die „LGB-Alliance“ oder „Libs of TikTok“ sind nur einige Beispiele aus dem US-amerikanischen Raum, die klar rechtsextremistische Aussagen zu Transphobie auf Social Media verbreiten. So beschreibt auch die amerikanische Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League klare Verstrickungen zwischen Antisemitismus, gruppenabwertendem Extremismus und z.B. der „Groomer-Verschwörung“ bzw. einer „Trans-Agenda“ .

Auch in Deutschland zeigen sich die Allianzen und Verzahnungen verschiedener Verschwörungstheorien und Moralpaniken immer deutlicher: Zum Beispiel veröffentlichte unlängst der Kopp Verlag die deutsche Übersetzung des transfeindlichen Buchs von Abigail Shrier „Irreversible Damage“. Dieser Verlag, den die FAZ passend als „Heimatplaneten für rechtsextreme Ufologen“ bezeichnete, ist für Verschwörungstheorien bekannt und spricht „bewusst politische Milieus am rechten Rand“ an.

Die Verzahnungen sind an anderer Stelle noch deutlicher: Auch „satanische Eliten“ oder antisemitische Inhalte fehlen nicht im allgemeinen verschwörungstheoretischen Sumpf rechter Moralpanik.

„Denkt man die verschiedenen Verschwörungserzählungen zu Ende, endet man meist da, wo man immer landet: bei den „bösen Juden“, die die Strippen in der Welt zögen. So würde etwa der jüdische Milliardär George Soros versuchen, große Teile der Menschheit in trans Personen umzuwandeln, wissen Verschwörungseinträge im Internet. Vor allem geht es aber um Männer, die eine Transformation zur Frau machen, oder gemacht haben. Soros und andere angeblich satanische Eliten, so die Verschwörungserzählung, wollen dafür sorgen, dass weiße Männer verweiblicht werden. Dahinter stecke angeblich die Idee der Ausrottung des weißen Volks, weil keine weißen Kinder mehr gezeugt würden. Diese Erzählung ist damit eingebettet in die rechtsextreme Verschwörungserzählung des „Großen Austausches“.

https://www.belltower.news/rechtsalternativer-hass-neuer-gemeinsamer-nenner-hass-aus-trans-frauen-132351/

Das Schreckensbild der „globalen Elite“, die tradierten Familien- und Frauenbildern widerspricht, ist also ein Narrativ, welches Verschwörungstheorien und unterschiedliche Moralpaniken vereint.

Dies ist weit mehr als ein Angriff auf die Demokratie, wie Simon Strick schreibt:

Der Faschismus, der von ‚Feminazis‘, ‚Gender-Brainwashing‘ und ‚Transgender-Terror‘ spricht, ist kein Angriff auf die Demokratie: Er ist ein Angriff auf das Bild von Gesellschaft, die der Feminismus, die Schwulen- und Lesbenbewegung und die TransRights-Bewegung in Teilen gegen andauernde Widerstände durchsetzen konnte. Er ist ein Angriff gegen die Gleichberechtigungsansprüche, die diese Gruppen gegen ihre Marginalisierung vorbringen – was eine komplexe Gesellschaft nicht nur aushalten, sondern fördern muss.“

Simon Strick: Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus, S. 425

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