Wie TERF Stereotypen repliziert

Wie TERF Stereotypen repliziert

Genderkritischer Feminismus, auch TERF (trans-exclusionary radical feminism) genannt, nimmt an, dass das biologische Geschlecht unveränderbar sei und lehnt demzufolge Gender-Identität als „falsche Ideologie“ ab. Durch die strikte Mann-Frau-Schubladisierung trägt genderkritischer Feminismus zu einer transphoben Moralpanik bei, da trans Frauen als Bedrohung geframed und eine irrationale Ängste, z.B. vor der vermeintlichen Abschaffung der Mann-Frau-Begriffe oder aus Sicherheitsbedenken gegenüber trans Frauen, geschürt werden.

Diese Argumentation basiert auf dem Konzept, dass cis Frauen vor Männern geschützt werden müssen. Durch die Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität, könnten sich, so die Annahme, Männer Zugang zu Frauenräumen wie Umkleiden oder WC s verschaffen – was ein „Freibrief“ für Sexualstraftaten wäre. Diese Moralpanik framed Männer rein auf Basis ihrer Sozialisation als gewaltaffin und dichtet trans Frauen, die nicht als Frauen anerkannt werden, da hierunter nur weibliche, potenziell gebärfähige Körper verstanden werden, ebenfalls diese vermeintlich gewalttätigen Zuschreibungen an. Mit diese Denkweise wird jedoch implizit eine Täter-Opfer-Sichtweise aufrecht erhalten:

Die kulturelle Positionierung von Trans-Frauen als gefährlich für Cis-Frauen stützt sich auf geschlechtsspezifische Konzeptualisierungen von (Cis-, implizit weißen) Frauen als notwendigerweise zerbrechlich in Bezug auf (Cis-)Männer, die ihrerseits als körperlich (und sexuell) überlegene Männer konzeptualisiert werden. Durch die Positionierung von (cis, weißen) „Frauen“ als eine Kategorie, die der Bedrohung durch „männliche“ Gewalt (und insbesondere durch „biologische“ männliche sexuelle Gewalt) besonders ausgesetzt ist, unterstützen trans-exklusive Argumente rund um den Zugang zu Toiletten – einschließlich derer, die von selbsternannten feministischen Gruppen vorgebracht werden – die geschlechtsspezifischen und frauenfeindlichen Diskurse, die (weiße) Frauen seit langem als das „schwache Geschlecht“ positionieren, das (von Männern, vor Männern) geschützt werden muss.“

https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0038026120934713, übersetzt ins Deutsche

Männer allein aufgrund ihres männlichen Geschlechts zu Tätern zu machen und Frauen im Gegenzug als Opfer einzuzementieren, kann keine patriarchalen Strukturen aufbrechen. Im Gegenteil. Es hat auch nichts mit Feminismus im eigentlich Wortsinn zu tun, da es den Sexismus in Zusammenhang mit sexueller Gewalt außen vor lässt und ebenso die Wechselwirkungen verschiedenster Diskriminierungsformen. Gesellschaftliche Unterdrückung lässt sich nämlich eben nicht auf „cis Mann unterdrückt cis Frau“ reduzieren.

Frauenräume als Diskussionspunkt

Die Wichtigkeit von Hilfseinrichtungen für Frauen, sei es in Form von Beratungsangeboten oder Frauenhäusern, ist unbestritten. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, warum trans Personen (und hier insbesondere trans Frauen) von Anhängern des TERF mit Bedrohung und Sicherheitsbedenken insbesondere hinsichtlich Frauenräumen gleichgesetzt werden.

Eine mögliche Erklärung liefert das Dramadreieck von Stephen Karpman. Dieses stellt eine Beziehung zwischen Opfer, Täter und Retter als Dreieck dar, das die unterschiedlichen Rollen aufzeigt. Es bietet aber genauso einen Ansatzpunkt, um toxische Konstellationen wie Helfersyndrom zu untersuchen oder eben die Diskussion um die Sicherheit von Frauenräumen: „Professionelle Unterstützer:innen, die gegen Gewalt gegen Frauen arbeiten, halten diese „Sicherheit“ aufrecht, indem sie darüber wachen, wer rein- und rauskommt.“ (https://www.refinery29.com/de-de/2022/10/11153430/trans-frauen-oeffentlicher-raum)

Diese Dynamik kann dazu beitragen, dass sich Helfer in der Retter-Rolle verorten, während sie in Wahrheit jedoch nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten können – und vor allem eines nicht tun dürfen: Ängste zu schüren. Die Position, dass Schutz für Frauen nur durch trans-exkludierende Maßnahmen garantiert werden können, läuft in die falsche Richtung, verkennt die Realität und verstärkt die Furcht vor dem vermeintlich „Unbekannten“:

„(…) Zu behaupten, dass Transphobie „Frauen schützt“, ist eine vorsätzliche Manipulation unserer Überlebenskunst. Der Einsatz von emotional aufgeladenen Mythen über die Gefahr durch Fremde (die Feministi:nnen jahrzehntelang versucht haben zu entkräften) und die Instrumentalisierung eines „Glaubt den Überlebenden“-Ethos ist entsetzlich mit anzusehen. Beide Methoden haben eine doppelte Funktion: Zum einen schüren sie die moralische Panik gegen trans Personen. Gleichzeitig ziehen sie traumatisierte Frauen, die nach Zugehörigkeit und Sicherheit suchen, in die politische Heimat des Anti-Trans-Aktivismus, der euphemistisch als „genderkritischer Feminismus“ bezeichnet wird.“

https://www.refinery29.com/de-de/2022/10/11153430/trans-frauen-oeffentlicher-raum

Zwischen verkürzter Denkweise und haltloser Dämonisierung

Als Folge verkennt der vom genderkritischen Feminismus vertretene Ansatz, dass gerade trans Frauen besonders oft gender-basierter Gewalt durch cis Personen ausgesetzt sind – und eben nicht anders herum, wie es fälschlicherweise im Sinne einer moralischen Panik propagiert wird. Studien ergeben, dass die Sicherheits- und Privatsphäreverletzungen, die hierbei ins Treffen gebracht werden, empirisch nicht haltbar sind. Auch aus Ländern, die eine selbstbestimmte Personenstands- und Vornamenänderung zulassen, bestätigen sich die rhetorisch aufgeblasenen Schreckensbilder nicht.

Diese problematischen Dämonisierungen von trans Personen wurden erstmals von der amerikanischen, radikalfeministischen Autorin und emeritierten Universitätsprofessorin Janice Raymond in großem Stile vertreten. In ihrem 1979 erschienen Buch „The Transsexual Empire“ behauptete sie, dass die transgender Identität „Frauen nach männlicher Vorstellung schaffen“ und schürte danach gezielt die Ängste vor Vergewaltigung, indem sie schrieb: „Alle Transsexuellen vergewaltigen den Körper der Frau, indem sie die reale weibliche Form auf ein Artefakt reduzieren und sich diesen Körper aneignen“ (übersetzt ins Deutsche).

Wie sehr genau dieses Denkmuster durch seine Argumentationskette – von Pseudo-Biologie bis zur Instrumentalisierung der Angst vor Übergriffen – mit Verschwörungstheorien Hand in Hand geht, zeigt die Ähnlichkeit der beschworenen Vergewaltigungsmythen mit dem Framing von trans Personen als „Groomer“ (siehe Artikel auf dieser Seite): nur dass diesmal nicht Kindern im Blickwinkel sind, sondern cis Frauen und Mädchen, die es zu schützen gilt.

Die dahinterliegende Argumentationsweise und Moralpanik bleiben jedoch dieselben – und ebenso ihre Anschlussfähigkeit an rechte Talking Points und Narrative.

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