Einleitung Pro Ana
Der Begriff Pro Ana ist mittlerweile durch zahlreiche Medienberichte in Kreisen derjeniger durchaus bekannt, die sich mit Essstörungen befassen – sei es als Angehörige, Behandelnde oder als selbst Betroffene. Längst ist Pro Ana kein „Geheimwort“ mehr oder gar eine „Untergrundbewegung“ wie vor über 20 Jahren, als der Begriff erstmals in den USA aufgetaucht ist. Doch dessen Gefährlichkeit hat über die Jahre keinesfalls abgenommen, im Gegenteil:
War Pro Ana zunächst eine Art „Geheimclub“ von essgestörten Mädchen und jungen Frauen (seltener Burschen), haben sich in den letzten Jahren Pädophile diese Strukturen zunutze gemacht, was das Risiko für die meist minderjährigen Betroffenen deutlich erhöht hat. Es geht nun nicht „nur“ mehr um das Verstärken des Teufelskreises einer Essstörung und der Förderung von Therapieunwilligkeit, sondern auch um die Gefahr des pädosexuellen Missbrauchs unter dem Schlagwort „Ana Coach“ hinter (mehr oder weniger) versteckten Türen von WhatsApp Chats bzw. anderen sozialen Medien.
In unserem Special zum Thema Pro Ana gehen wir bis an die Anfänge zurück und rollen die Entwicklung dieser Bewegung vor allem – aber nicht nur – im deutschsprachigen Raum auf. Dazu werfen wir einen Blick hinter die Kulissen einiger in den frühen 2000er Jahren bekanntesten Webforen in Deutschland, die lediglich Mitgliedern vorbehalten waren, sowie in die archivierten Chats von WhatsApp Gruppen und „Ana Coaches“.
Unsere Informationen basieren u.a. auf meinen persönlichen Erlebnissen, denn ich war von 2001 (als Teenager) bis 2021 (als mittlerweile erwachsene Frau) in der Pro Ana Szene aktiv. Meine Materialien zu diesem Thema füllen über 2 A4-Collegeordner, da ich seit Beginn an tagebuchartig meine Foren-Aktivitäten aufgeschrieben und chronologisiert habe. Das Auftauchen der ersten derartigen Rapidforen im deutschsprachigen Raum habe ich persönlich miterlebt sowie die etwas später anlaufenden Medienberichte und – mit einer für Magersüchtige typischen Akribie – alles dazu gesammelt. Später war ich als Administratorin in einem der größten Foren tätig (bis zu dessen Schließung 2017) und danach in zahlreichen WhatsApp Gruppen aktiv, zuletzt auch unter dem Einfluss eines sogenannten „Ana Coaches“. Meine in diesen 20 Jahren gesammelten Aufzeichnungen, Screenshots sowie detaillierte Tagebücher und Collagen an Zeitungsausschnitten bilden die Basis der Recherchen dieser Webseite.
Darüber hinaus ziehen Marvel und ich auf der Webseite in einem weiteren Schwerpunkt aus psychologischer Sicht Bilanz und ordnen die Pro Ana Szene dementsprechend ein – und zwar als Bewegung mit sektenähnlichen Strukturen. Wir beleuchten beide Seiten – sowohl die Sicht einer ehemals Betroffenen als auch den Blickwinkel von Fachpersonen auf die Szene, um deren Komplexität in allen Facetten gerecht zu werden.