Ein historischer Blick – die Anfänge von Pro Ana

Ein historischer Blick – die Anfänge von Pro Ana

Wie die meisten Untergrundbewegungen fand Pro Ana ihren Ursprung in den USA in Diskussionsgruppen und auf Websites. Als Ursprung wird von mehreren Stellen eine 1998 gegründete Yahoo-Diskussionsgruppe namens „Diet Coke Club“ angegeben. Der Austausch in dieser Gruppe markiert auch den bald folgenden Beginn der Verbreitung im deutschsprachigen Raum.

Bereits im Jahr 2001 warnte das TIME Magazin in einem Bericht mit dem treffenden Titel „Anorexia goes High Tech“ vor der sich gerade entwickelnden, magersuchtsverherrlichenden Szene. Insbesondere der Screenshot von „Anorexic Nation“, einer der ersten, großen US-Webseiten, der den Oberkörper einer ausgemergelten jungen Frau in drei Farben zeigte, stach in diesem Artikel ins Auge. Dazu brachte die TIME – natürlich unter entsprechender inhaltlicher Distanzierung  – in einem Infokasten 10 direkte Links zu Ana-Webseiten und Yahoo-Diskussionsgruppen. Die Warnung war also – aus der heutigen Sicht betrachtet – gleichzeitig eine Werbung, wodurch sich der damalige Hype rasant entwickelt hat.

Die frühen Webseiten über Pro Ana trugen Namen wie „Ana’s Underground Grotto“, „Starving for Perfection“ oder „Totally in Control“, was von der Wortwahl Assoziationen zu Geheimclubs und einer subversiven Untergrundbewegung hervorrief. Zeitgleich mit dem  Aufkommen dieser Szene gab es bereits 2001 erste Bemühungen, beispielsweise die entstehenden Newsgroups rasch wieder zu schließen. Der Internetriese Yahoo, auf dessen Plattformen zahlreiche dieser Austauschgruppen angesiedelt waren, wurde folgendermaßen zitiert: „When content with the sole purpose of promoting harm is brought to our attention, we will evaluate it and in extreme cases remove it. Although this issue affects an extremely small portion of our overall user base, it is something we take very seriously.“ (Quelle)

Auch wenn sich Anbieter wie Yahoo, Angelfire u.a. in Folge bemühten, Pro Ana Gruppen und Web Clubs vom Netz zu nehmen – was in den USA komplizierte Diskussionen wegen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach sich zog – hatten diese Bemühungen langfristig keinen Erfolg. Dies zeigt auch die rasche globale Ausbreitung dieser Strömung von seinen US-amerikanischen Ursprüngen hin zu einem internationalen Problem. Im selben Jahr, ebenfalls 2001, berichtete auch die britische BBC über Pro Ana. 

Durch anonymen, großflächigen Austauschs bot das Aufkommen der sozialen Medien wenige Jahre z.B. auf MySpace („Pro Ana Nation“ mit über 1000 Mitgliedern) und in Facebook-Gruppen mit Titeln wie „Get thin or die trying“ der Szene eine immer größere Verbreitungsmöglichkeit.

Die Ausbreitung von Pro Ana in Deutschland

Rund um das Jahr 2002 schwappte Pro Ana auch in den deutschsprachigen Raum. Hierzulande konzentrierte sich der Austausch neben unzähligen privaten Kleinwebseiten auf die damals boomenden Webforen. Die ersten Foren in Deutschland waren – in der zu jener Zeit üblichen Baumstruktur gestaltet – die beiden namens „just ana“ bzw. „Miss Ana“. Bei der Namensgebung fällt auf, dass sich die Bezeichnungen der frühen Ana-Foren sehr stark ähnelten, so zum Beispiel „Just for Angels“, „Ana4life“, „ANAther kind of Art“ und meist die Bezeichnung Ana im Namen trugen.

Einige dieser Foren hatten längeren bzw. kürzeren Bestand, wurden gelöscht, zusammengelegt oder auch gehackt. Da die Szene damals in Deutschland relativ klein war, kannte man sich untereinander und viele der Userinnen (zur damaligen Zeit waren es fast nur weibliche Betroffene) waren in mehreren Foren Mitglied, die jeweils von einer Admiss geleitet wurden.

Im Jahr 2003 wurden u.a. die Foren „Blumenkinder“, „Secret Soulfly“ und „Spiegelkinder“ bzw. „Broken Fairytales“ gegründet. Besondere Bekanntheit erlangten die sogenannten „Spiegelkinder“, weil die Administratorin einer Journalistin des Kölner Stadtanzeigers ein Jahr später, im Sommer 2004, ein Interview gab, welches die Basis für den oft zitierten Artikel namens Meine Freundin Ana bildete, der in einem Reupload von 2006 noch online ist.

Waren die Foren bislang relativ überschaubar, löste dieser Medienbericht, der sogar einen journalistischen Preis bekam, einen Run auf das Spiegelkinder-Forum aus. In Folge löschte die Administratorin ihr Forum, die meisten der User fanden in den Foren „Dornenkinder“ und „Seelenkinder“ jedoch wieder zusammen. Letzteres Forum wurde 2004 gegründet und galt bis zu dessen Schließung nach über 10 Jahren Onlineaktivität als eines der größten Pro-Foren in Deutschland.

Mit den zunehmenden Medienberichten erlangte die deutschsprachige Pro Ana Szene eine immer größere Bekanntheit – vor allem auch in Betroffenenkreisen derjenigen, die bereits an einer Essstörung litten und nun Austausch unter Gleichgesinnten suchten. Es gab in den frühen Zweitausenderjahren um die 100 Foren mit Mitgliederzahlen von wenigen dutzend bis mehreren hundert Usern.

Da die Szene bald zu groß und unübersichtlich wurde, sodass man sich nicht mehr aus direktem Email/Forenkontakt kannte, wurden Linkforen wie „Lunas Linkforum“, Toplists und ein „Admissen-Forum“ benutzt, damit sich die Betroffenen weiter vernetzen konnten.

Zeitgleich kamen auch die Forenbetreiber immer mehr unter medialen Druck und schlossen der Reihe nach das Webhosting für Pro Ana Foren, so zum Beispiel der Anbieter „forencity“. Rapidforum war einer der wenigen Forenhoster, der keine inhaltliche Kontrolle durchführte und so zum kostenlosen Anbieter erster Wahl für Pro Ana Foren wurde. Als dieser Dienst im Jahr 2009 endete, erwarben einige der Foren kostenpflichtigen Webspace. Doch mit dem Aufkommen der sozialen Medien verlagerte sich die Pro Ana Szene rasch dorthin, was mit dem generellen Trend des „Forensterbens“ korrespondierte.

Für die weitere Entwicklung von Pro Ana war vor allem Instagram als bildfokussiertes Medium bedeutend, dazu in einem Folgebeitrag mehr.

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