Marvel Stella FAQ

  • Marvel Stella ist ja nur ein Pseudonym. Warum nennst du dich so?

Vor Jahrzehnten hatte ich einen Partner, mit dem ich es geschafft habe, zusammenzuwohnen, was bei mir auf Grund meines Einzelgängertums sehr schwierig ist. Dieser Partner ist mit meinen fragmentierten Zuständen, die damals noch ausgeprägter waren als heute, sehr intensiv in Berührung gekommen. Auf Grund meiner inneren Sperre den anderen Zuständen gegenüber, versuchte er von außen eine Annäherung zu erzeugen und nannte „uns“ einheitlich „wunderbar“. Seitdem sprach er mich fast nur noch mit „marvelous“ an, was sich irgendwann auch bei mir festgesetzt hat.

„Unser“ Tisch – erstellt in einer psychosomatischen Klinik

Als ich mir im Internet ein Schutzimpressum zulegen wollte, klang „marvelous“ ziemlich albern, also nannte ich mich Marvel Stella. „Stella“ war bzw. ist der Name meiner damaligen Betreuerin, die mir sehr viel bedeutet. Wir sind, nachdem sie weggezogen ist, freundschaftlich in Kontakt geblieben.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Keiner (außer die GWUP Geschäftsstelle) kennt deinen realen Namen. Obwohl du einst in der GWUP Mitglied gewesen bist, hat man dich auch dort niemals gesehen oder gehört. Telefonate lehnst du ab. Auf Veranstaltungen gehst du grundsätzlich nicht und Interviews führst du einzig nur schriftlich. Warum bekommt man dich selbst dort nicht zu Gesicht, wo man deinen realen Namen kennt?

Das hat mehrere Gründe:

  1. Zum einem habe ich eine kPTBS, was zur Folge hat, dass mein gesamter Körper zu zittern beginnt (man kennt es als Kriegszittern), wenn ich mich bemühe, mich in einer fremden Gruppe zu integrieren. Das Zittern tritt auch in anderen Momenten auf, im Fall einer Gruppenatmosphäre ist es aber zu 100% sicher, dass es passiert. Mich so zu zeigen, ist mir außerordentlich unangenehm.
  2. Auch leide ich noch immer an einer Dissoziativen Identitätsstörung. Wenn ich mich real mit Menschen treffe, habe ich keine 100%ige Kontrolle über mich. Ich weiß nicht, wie andere Menschen reagieren und kann insofern nicht absehen, ob und wenn ja, welche Trigger stattfinden. So etwas kann auch heute noch – ähnlich wie vor 20/30 Jahren – einen sogenannten „Switch“ bei mir erzeugen. Man würde mich dann vielleicht in einer Weise kennenlernen, die allem widerspricht, was man bisher von mir weiß. Angefangen vom Intellekt bis hin zum Verhalten, inklusive Gefühle, Vorlieben, usw. Das ertrage ich nicht mehr. Ich musste so etwas einfach zu oft in meinem Leben hinnehmen, was vor allem deswegen immer unerträglicher wird, weil ich zu viel weiß. Ich weiß, dass ich es bin – egal, wie ich bin – und kann nicht mehr die Verantwortung von mir weisen, indem ich sage: „Das war eine andere“.
  3. Auf Grund dieser Symptome und Risiken habe ich eine sehr große Angst entwickelt, mich mit Menschen zu treffen, die mich im Internet kennengelernt haben. Ich brauche wenigstens diesen einen Ort hier, wo ich mich sicher bewegen kann, ohne dass mir unkalkulierbare Situationen meine Würde nehmen.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Wenn Du es genauso den Leuten, die dir im Netz wichtig sind, sagen würdest, meinst du nicht, sie würden es verstehen?

Natürlich würden sie das. Ich kann es aber nicht (mehr) ertragen, ständig die Verantwortung für „Personen“ – also Zustände – übernehmen zu müssen, mit denen ich mich NULL identifizieren kann. Und es kommt noch ein Problem dazu: Man hätte ein äußeres Bild von mir, was nicht zu mir gehört. Fast jeder Zustand in mir hat ein eigenes Körpergefühl und eine eigene Wahrnehmung der Äußerlichkeiten. Doch alleine das macht mich unsicher. Wie soll ich mich in einer Gruppe selbstsicher bewegen können, wenn andere ein komplett anderes Bild von mir haben als ich selbst.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Kannst du verstehen, dass du bereits zwei Mal bezichtigt wurdest, eine Stinkesocke (ein Fake) zu sein?

Ja, aber das ist mir egal. Auf Grund dessen, dass man in der GWUP meine realen Daten hat, darf jeder davon ausgehen, dass ich eine Frau und tatsächlich 57 Jahre alt bin. Alles andere geht keinen was an.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Und wieso lehnst du Telefonate ab?

Beim Telefonieren ist es ähnlich wie bei einem realen Treffen. Immer dann, wenn ich durch eine andere Person gespiegelt werde und/oder ich die Situation durch unvorhersehbare Abläufe nicht kontrollieren kann, beginnt die Angst. Auch ist mir bewusst (deswegen habe ich weiter oben geschrieben, dass ich bereits zu viel weiß), dass mein Gegenüber eine Stimme hört, die nicht meine ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: Meine tatsächliche Stimme ist immer gleich. Nur meine eigene Wahrnehmung ist eine andere. In dieser habe ich eine Stimme (im Ohr), die nicht wirklich meine ist, mit der ich mich aber identifiziere.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Fast jeder im Internet denkt, dass du und Nora ein und dieselbe Person seid. Viele schreiben es auch oder machen sich sogar darüber lustig. Wie gehst du damit um?

Jetzt wäre ich sehr neugierig, was Nora in ihrem FAQ schreibt, denn diese Frage betrifft sie ja gleichermaßen. Wir schreiben unser FAQ unabhängig voneinander und ohne uns vorher abzusprechen. 😉

Um die Frage zu beantworten: Manchmal finde ich es lustig und manchmal bin ich sogar stolz darauf. Nora und ich ergänzen uns wunderbar, man könnte fast schon sagen, wir bilden kollegial eine Symbiose. Sie kann, was ich nicht kann und umgekehrt. Wären meine anderen „Persönlichkeitsanteile“ auch nur annähernd so wie Nora, dann hätte ich keine Angst, bei einem realen Treffen die Kontrolle zu verlieren. Mich stört dieses Gerücht tatsächlich nicht. Bei Nora sieht es wahrscheinlich anders aus. Egal, was sie schreibt und leistet, sie wird nicht als Individuum gesehen. Man denkt, das alles hier und auf der SRA Seite sei alleine mein Verdienst. Ich schätze, das ist sehr demotivierend für sie.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Hast du keine Bedenken, dass deine anderen Persönlichkeitsanteile hier im Internet herausgetriggert werden?

Nein. Das Internet ist der einzige Ort, wo ich ICH sein kann und darf, ohne dass mir andere Anteile das Leben schwer machen. Ich kann hier mit all meinen Facetten (!nicht Persönlichkeitsanteilen, sondern Facetten von mir!) meine Zeit verbringen: Mal traurig, mal wütend, mal sachlich neutral – eben mit alledem, was zu mir gehört. Das ist das, was viele falsch einschätzen. Man glaubt, DIS-Persönlichkeitsanteile seien unterschiedliche Emotionen. Das ist falsch. Jeder Anteil in mir hat ein eigenes emotionales Spektrum und eine ganz eigene Art (oder Unfähigkeit), damit umzugehen.

Das Internet ist gefährlich, aber genau darum kann ich mir hier sicher sein, dass ich die (DIS-)Kontrolle behalte. Das mache ich nicht bewusst, aus bestimmten Gründen passiert es einfach und nach ca. 20 Jahren Internet weiß ich auch, dass ich mich hier auf mich selbst verlassen kann. Und selbst wenn ich hier mal switchen sollte – nehmen wir nur mal an – dann bin ich für die anderen halt ein bisschen launisch. Das Internet ist so „drüber“, dass ich mittendrin gar nicht auffalle.

Eigentlich ist es ganz witzig. Viele Menschen nutzen das Internet, um sich und alle ihre Seiten – mal mehr und mal weniger kohärent – auszuprobieren und damit herum zu experimentieren. Für mich aber ist das Internet die beständigste Basis ever.

:::::::::::::::::::::::::::

  • Im Jahr 2023 sah es aber nicht wirklich entspannt aus.

Ja, das stimmt. Ich habe mich in bestimmten Bereichen neu ausprobiert und bin damit auf die Nase gefallen. Shit happens, das ist nicht das Ende der Welt. Wenigstens weiß ich nun, dass ich moralisch nicht so aalglatt bin, wie ich es bisher immer angenommen habe. 🥴

Die Formulierungen für die Fragen und entsprechende Gestaltung stammen von mir persönlich, inhaltlich aber sind sie in dieser oder einer ähnlichen Form mehrmals gestellt worden. Sollten mir noch weitere einfallen, füge ich sie hinzu.