Nora Sillan FAQ

  • Welche Themen, um die es auf dieser Webseite geht, liegen dir besonders am Herzen?

Alle Themen dieser Seite sind „Herzensthemen“ von Marvel und mir. Für mich persönlich ist insbesondere die Aufklärung über die Gefahren von Pro Ana sehr wichtig. Auch wenn es dazu mittlerweile fundierte Webseiten, Bücher, Fachkonferenzen etc. gibt, finde ich es wichtig, auch von Aussteiger-Seite darüber zu berichten – nicht nur die Fakten, sondern auch die (persönlichen) Schwierigkeiten, die eine Loslösung nach Jahrzehnten in dieser Szene mit sich bringt.

Daneben liegen mir auch die anderen Themen am Herzen, v.a. Moral Panic bzw. die Aufklärung über die DIS. Hier interessiert mich insbesondere die Abgrenzungen/Unterschiede zwischen Borderline, DIS und der neuen Diagnose kPTBS (komplexe posttraumatische Belastungsstörung, nach IDC-11).

  • Was motiviert dich am Schreiben?

Gute Frage, vor allem dann, wenn ich gerade gar keinen Bock drauf bzw. keine Zeit habe 😉. Schreiben bedeutet mir viel, oft sage ich über mich selbst, dass ich manchmal eher ein „schriftlicher“ Mensch als ein „mündlicher“ bin. Im Rahmen meines Journalismus-Studiums habe ich mir ein Handwerkszeug zugelegt, was ich leider beruflich nicht (mehr) nutzen kann, da ich nicht mehr in dieser Sparte tätig bin. Umso mehr freut es mich, nicht nur für mich privat Prosa und andere Kurztexte zu verfassen, sondern auch im Rahmen dieser Webseite etwas veröffentlichen zu können – und zwar eben nicht zum Selbstzweck, sondern als kleiner Beitrag zur Aufklärung über diese Themen.

  • Du trittst in den sozialen Medien kaum in Erscheinung, warum?

Ich bin kein Fan von Social Media. Natürlich habe ich Accounts, allerdings nutze ich sie kaum, auch privat nicht (abgesehen vom intensiven Austausch auf Facebook während der Pandemie-Jahre). Einerseits ist es das rasche Hin und Her an schnell dahingetippten Satz(fetzen), was ich nicht mag, andererseits ist das zwischenmenschliche Klima in den sozialen Medien nur noch besserwisserisch bzw. von Rechthaberei geprägt.

  • Du wirst sehr oft mit Marvel als ein und dieselbe Person gesehen. Stört dich das?

Anfangs durchaus, gebe ich zu, weil es ein Gefühl vermittelt hat, als wäre ich als Mensch gar nicht existent. Aber mittlerweile schmunzle ich jedes Mal, zudem Marvel und mich neben unserer jahrelangen Zusammenarbeit auch eine sehr enge Freundschaft verbindet. Klar, ein Teil von ihr möchte ich nicht sein – sorry Marv 😉 – aber ich hab schon lange nicht mehr das Bedürfnis, mich sofort zu rechtfertigen, wenn man mir in den sozialen Medien die Existenz abspricht. Wir sind ein Team, das aus zwei Menschen besteht und was die Leute dann draus machen, ist deren Sache.

  • Warum teilst du nur wenig persönliche Erfahrungen im Internet?

Mit der Aufklärungsarbeit über Pro Ana, die ich zunächst mit dem Fokus auf die reine Berichterstattung begonnen habe, schreibe ich durchaus über meine persönlichen Erfahrungen in der Szene – was alles andere als leicht ist. Vielleicht ist es ein Gefühl, nicht wirklich etwas beitragen zu können, was nicht eh schon dutzende Male geschrieben worden ist? Oder dass die eigene Geschichte keine Bedeutung hat? Mal sehen, vielleicht ändert sich meine Einstellung ja noch im Lauf der Zeit.

Generell fällt es mir schwer über mich selbst zu schreiben und wenn, dann ist es in Form von Lyrik bzw. autobiografischen Kurzprosa-Texten, die so sehr mit Metaphern gespickt sind, dass ich selbst dahinter verschwinde. Oder mich verstecke, je nachdem.

  • Welche Diagnosen hast du bekommen und wie geht es dir damit?

Ok, das wird nun eine längere Antwort. Vor bald 20 Jahren habe ich – neben den Essstörungen – die Diagnose Borderline und PTBS bekommen. Für mich hat sich die Diagnose Borderline nie zu 100% stimmig angefühlt, da ich z.B. keine Wutanfälle oder extremen emotionalen Schwankungen etc. von mir kenne. Aber ich konnte mich in sehr vielem, was für dieses Störungsbild charakteristisch ist, wiederfinden. Kürzlich wurde mir in meiner aktuellen Therapie jedoch gesagt, dass Borderline bei mir eine Fehldiagnose gewesen ist. Es träfe auf mich nicht zu, so meine Therapeutin, und ich würde – wie sie sagte – die Diagnosekriterien nicht erfüllen. Stattdessen bekam ich jetzt das Label kPTBS umgehängt und es stehen „nur“ noch meine Traumatisierungen und die Dissoziations-Problematik im Fokus. Ja, es fühlt sich wirklich so an, als wäre das Wort „komplexe posttraumatische Belastungsstörung“ ein neues „Etikett“, was man mir draufklebt. Ob es mich stört, dass man mir die Diagnose Borderline nun abspricht? Eigentlich könnte ich durchaus froh sein, möchte man meinen, denn kaum eine psychiatrische Diagnose ist derart mit Stigmata behaftet wie Borderline Persönlichkeitsstörung (leider!). Allerdings habe ich mich von diesen Zuschreibungen immer distanziert, sie haben mich nicht wirklich belastet. Dadurch war die Diagnose Borderline etwas, wo ich wusste, dass ich mir damit bestimmte meiner Verhaltens-, Denk- und Fühlweisen erklären konnte, sozusagen ein Rahmen, wo ein Bild drinnen hängt.

  • Was hat sich für dich nun geändert ohne diese Diagnose?

Ich habe jetzt das Gefühl, als würde man eine bemalte Leinwand ohne haltgebenden Rahmen direkt an die nackte Wand hängen und von allen Seiten betrachten. Nein, ich bin nicht froh oder erleichtert, dass in meinen zukünftigen Befundschreiben diese Diagnose nicht mehr vorkommen wird. Und wenn in den Therapiegesprächen thematisch alles unter „struktureller Dissoziation“ gefasst wird (nach den ganzen Recherchen für die Webseiten bin ich ohnehin kein Fan dieser Bezeichnung, um es gelinge auszudrücken), teilt mich das noch mehr in Einzelstückchen auf. Beziehungsweise befürchte ich, dass dieses „Chamäleon“ in mir, was sich wieder und wieder an Situationen bzw. das Gegenüber intuitiv anpasst, um zu „überleben“, sich erneut anpassen wird. Da hab ich fast ein wenig Angst, dass noch mehr von mir verschwindet, weil ich nicht sagen oder definieren kann, wer ich bin. Ich hätte so gern ein ganzes und komplettes Ich ohne Zerrissenheit und Brüche, weil ich so etwas noch nie hatte. Gefühlt bekomme ich nun die Legosteinchen dazu in meiner Therapie, um eines zu bauen. Aber die Sorge bleibt, was dabei rauskommt, wenn die Mosaiksteinchen zusammengesetzt sind.

Zur Erklärung meiner Chamäleon-Zeichnung siehe ein älteres Interview (Jahr 2023) zwischen Marvel und mir: https://analytische-kritik.de/dis-did/did-allgemein/der-schmale-grat-zwischen-borderline-dis/