Wie ideologische Machtkämpfe unter dem Deckmantel des Skeptizismus geführt werden
Ein persönlich-analytischer Rückblick auf die inneren Konflikte der GWUP und die ideologische Agenda dahinter.
Meine Entscheidung im Jahr 2023, der GWUP beizutreten, war von starkem Idealismus geprägt. Ich hatte schon eine Weile daran gearbeitet, über Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit rituellem Missbrauch und Mind Control aufzuklären, und setzte mich mit Leidenschaft für Wissenschaft, Logik und kritisches Denken ein. Die GWUP war für mich ein offensichtlicher Partner in dieser Tätigkeit. Was ich nicht wusste: Ich trat zu einem Zeitpunkt ein, an dem sich unter der Oberfläche ein brutaler ideologischer Machtkampf abspielte, der nichts mehr mit Aufklärung zu tun hatte. Siehe dazu die ausführlichen Beschreibungen in meinem Artikel: Offener Brief an die GWUP.
Ein Text, der mir heute als Paradebeispiel für diesen ideologischen Umbau erscheint, ist Nikil Mukerjis Artikel über sogenannte „Ideenpathogene“. Er konstruiert ein Bild, in dem Skeptiker als immunologische Zellen gegen geistige Krankheitserreger auftreten. Begriffe wie „epistemische Antikörper“, „infizierte Organisationen“ und „T-Killerzellen“ machen klar: Hier wird nicht argumentiert, hier wird allem Anschein nach vernichtet. Nicht Argumente stehen im Vordergrund, sondern Bekämpfung, Ausschluss und Kontrolle.
Was diesen Vergleich so gefährlich macht: Zahlreiche namhafte Skeptikerinnen und Wissenschaftlerinnen, die über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg zur Seriosität und Glaubwürdigkeit der GWUP beigetragen haben, werden in dieser Metaphorik indirekt mit einem Virus gleichgesetzt – als schleichende Gefahr, als zu eliminierende Störung. Der Text entwertet damit rückwirkend die Arbeit vieler, die die GWUP mitaufgebaut und geprägt haben.
Wie Sprache manipuliert
Diese Art von Text ist kein wissenschaftlicher Diskurs mehr. Es ist ein ideologisches Manifest. Und es wirkt(e). Ich war Teil dieses Systems, wurde gezielt beeinflusst von scheinbar rationalen Menschen, die mir in endlosen Nachrichten die „wahre Bedrohung“ erklärten. Man sprach davon, dass die Organisation „infiziert“ sei, dass bestimmte Personen ideologisch unterwandert seien, dass man wachsam sein müsse.
Wie das vor sich gegangen ist, beschrieb ich wie gesagt in dem offenen Brief an die GWUP. Der Artikel wirkt sehr umfangreich, doch er hat das Ausmaß dessen, mit was ich konfrontiert wurde, nur „angerissen“!
Um heute ein weiteres Beispiel zu nennen: Ein besonders krasser Moment war, als mir gegenüber über eine von mir geschätzte Kriminalpsychologin gesagt wurde, sie zeige Merkmale der „Dunklen Triade“. Das kam von einer Person mit psychologischem Hintergrund in einem privaten Chat, ganz subtil eingeflochten. Ich verstand damals weder den Begriff noch seine Tragweite – aber ich spürte, dass etwas an der Aussage falsch war.
Die Tage nun bin ich an diese private Nachricht aufgrund eines Videos erinnert worden, in dem man die dunkle Triade erwähnte. Daraufhin habe ich recherchiert, was das überhaupt bedeutet, und ich begann, zu verstehen: Solche Aussagen dienen der Zerstörung von Vertrauen. Ich wurde entfremdet von Menschen, mit denen ich eigentlich gemeinsame Ziele hatte. Und die Drahtzieher blieben im Schatten.
Es war ein langer Prozess, diese Manipulation zu durchschauen. Ich hatte Fehler gemacht. Ich war nicht nur Opfer. Ich hatte mitgewirkt. Und ich will das nicht vergessen. Aber ich will darüber sprechen, damit andere sehen: Auch in vermeintlich rationalen Strukturen kann ideologische Indoktrination stattfinden. Auch in skeptischen Bewegungen kann Macht über Wahrheit gestellt werden.
Eine ideologische Kriegserklärung
Wenden wir uns noch einmal Nikil Mukerjis Artikel zu. Er wirkt wie eine ideologische Kriegserklärung. Sein Artikel ist kein wissenschaftlich-nüchterner Diskurs über skeptisches Denken, vielmehr scheint er (ich erwähnte es bereits) ein rhetorisch hochgerüstetes Manifest zu sein, das Kriegsmetaphern verwendet (Immunsystem, Killerzellen, Trojanische Pferde). Gegner werden als pathogene Erreger oder Viren beschrieben, eine innerorganisatorische Debatte wird als Sabotage von innen umdeutet und kritische Mitglieder werden zu „Pseudoskeptikern“ erklärt – also zu Feinden im eigenen Lager.
Das ist kein offenes Nachdenken über Skeptizismus, sondern – so meine ganz persönliche Wahrnehmung – erinnert an eine ausgefeilte Strategie zur ‚ideologischen Bereinigung‘. Wer nicht in ihr Bild passt, wird als infektiös, zerstörerisch und gefährlich dargestellt. Wer also nicht bereit ist, die GWUP als eine Institution verkommen zu lassen, die einen hochgefährlichen Kulturkampf anheizt, muss entfernt werden.
Die Trojaner-Strategie – Wenn Sprache zur Waffe wird
Interessant ist dabei der Ursprung dieser Metapher. In der Forschung stammt sie ursprünglich aus einem satirisch-analytischen Aufsatz von Breanne Fahs und Michael Karger (2016), in dem feministische Theoriearbeit mit einem Virus verglichen wird, der sich an bestehende Disziplinen „anheftet“, um diese zu verändern. Es war eine selbstironische, spielerische Formulierung – kein Aufruf zur Ausgrenzung, sondern ein Reflexionsangebot zur disziplinären Grenzüberschreitung. Diese subtile, fast humorvolle Idee wird bei Mukerji jedoch ins Gegenteil verkehrt: Aus einer theoretischen Metapher über Diskurse wird ein praktisches Ausgrenzungsinstrument gegenüber Personen.
Er kombiniert diese Umdeutung mit einem zweiten ideologischen Konzept: den „Ideenpathogenen“ nach Gad Saad. Saad beschreibt in seinem Buch „The Parasitic Mind“ progressive gesellschaftliche Ideen – von Genderforschung bis Postkolonialismus – als krankhafte Gedankenviren, die das rationale Denken infizieren. Mukerji übernimmt diese Sprache nahezu vollständig und verschärft sie, indem er behauptet, dass solche „Ideenpathogene“ nicht nur in der Gesellschaft kursieren, sondern bereits das Innere der Skeptikerbewegung befallen hätten.
Was ursprünglich als kritische Satire über wissenschaftliche Dogmen begann, wird so zu einem handfesten ideologischen Apparat: Wer nicht in die Linie passt, ist nicht mehr Teil eines pluralen Diskurses, sondern eine Gefahr für das System.
Was ich selber denk und tu …
… so beginnt ein Sprichwort, das jeder kennen dürfte.
Sätze, die dieser Artikel enthält, erklären im Rückblick exakt das, was sie mit mir gemacht haben:
- This strategy succeeds where deception meets trust. (Tatsächlich ist diese Täuschung bei mir auf Vertrauen gestoßen, darum ist sie eine Zeit lang gelungen)
- Pseudo-skepticism is that adaptation. Just as some viruses use molecular mimicry to evade the immune system, pseudoscientific ideas and their proponents can present themselves as skeptical and scientific, thus avoiding detection. (Tatsächlich haben sich Vertreter pseudowissenschaftlicher Ideen als skeptisch und wissenschaftlich dargestellt und entgingen so der (meiner) Entdeckung.)
Sie haben mich emotional an ein ideologisches Lager gebunden, das sich als Vernunftbewegung tarnt – aber im Innersten ein System der Ausgrenzung und Spaltung war. Was ich erst jetzt durch den mir vorliegenden Artikel begreife, ist: Sie haben mir sinnbildlich vermittelt, dass auch ich eine Wächterin des „epistemischen Immunsystems“ bin bzw. sein kann, wenn ich die Krankheit erkenne und mithelfe, sie offenzulegen und zu bekämpfen.
Wenn sich die Ideologie sicher fühlt
Was mich heute besonders nachdenklich macht, ist nicht nur die Rhetorik selbst – sondern der Umstand, dass man sie inzwischen so offen aussprechen kann, ohne Widerspruch oder Konsequenzen befürchten zu müssen. Dass ein Text wie der von Nikil Mukerji, durchsetzt mit Kriegsmetaphern, Polarisierung und Ausgrenzungslogik, veröffentlicht wird, ist kein Zufall. Es ist Ausdruck eines kulturellen Klimas, in dem solche Narrative nicht nur geduldet, sondern begrüßt werden.
Man fürchtet keine Kritik. Keine sozialen oder beruflichen Sanktionen. Im Gegenteil: Man weiß, dass diese Denkweise auf fruchtbaren Boden fällt. Denn die Entwicklung, die hier beschrieben und gleichzeitig legitimiert wird, ist längst Realität geworden.
Die GWUP – einst eine Organisation zur Förderung von Wissenschaft, Aufklärung und rationaler Debatte – ist politisiert worden. Nicht durch „Woke-Ideologie“, wie es ihre neuen Wortführer behaupten. Sondern durch die strategische Besetzung mit Akteuren, die wissenschaftliche Skepsis mit weltanschaulicher Kontrolle verwechseln. Genau jene politische Umformung, die man anderen vorwirft, wurde selbst vollzogen.